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Der nachstehende Text stellt die Essenz eines zurückgestellten Buchprojektes dar und resultiert aus mehrjährigen Recherchen des Turbo-Look Registers. Er beinhaltet Teile umfangreichen, nie veröffentlichten Wissens, dessen Verwendung und Publizierung auch von Teilinhalten oder Zahlenangaben ohne vorherige Genehmigung des Autors, ausdrücklich untersagt ist!
© Norbert Franz


Zuletzt geändert: 12.08.2016, 12:46 CET

964 Carrera RS/R 3.8

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Das neue Gruppe-C-Reglement, das ab 1982 die Motorsportwelt veränderte, hatte unweigerlich Einfluss auf die Bedeutung des Porsche 911 im Rennsport. Zwar war mit dem Porsche 935 in den Händen von Privatteams noch ein auf dem 911er basierender Rennwagen auf allen Rennstrecken zu sehen und konnte auch Ende der 80er Jahre noch Erfolge feiern, aber von Werksseite hatte Porsche alles auf die neuen Sportwagen vom Typ 956 und später 962 gesetzt. Der Porsche 911 bekam von Seiten des Werks in Bezug auf den Renn- und Kundensport nur noch wenig Aufmerksamkeit.

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"Win on sunday - sell on monday" - Dieser Strategie folgend wurde angestrebt das Volumenmodell Porsche 911 wieder in den Focus der Motorsportbegeisterten zu rücken. Zu diesem Zweck hatte Porsche, nach guten Erfahrungen mit dem Porsche 944 Cup, auch für den Typ 964 einen Markenpokal - den Porsche Cup ins Leben gerufen. Private Teams fuhren mit einer eigens dafür aufgelegten Kleinserie von so genannten "Cup Autos", gewichtsreduziert, leicht leistungsgesteigert und mit Rennsicherheitseinrichtungen versehen um die Meisterschaft. Wichtigste Voraussetzungen um kostengünstig zu bleiben, waren Seriennähe und die Verwendung von identischen Fahrzeugen für alle Teams. Um Manipulationen vorzubeugen wurden die Motoren verplombt und die Motor-Steuergeräte vor jedem Renneinsatz zugelost. Basierend auf dem 1992 aufgelegten Carrera RS 3.6 folgte in Form des 964 N-GT die Fortenwicklung des Carrera Cup Konzeptes. Für Amerika wurde eine Super-Car-Serie, die den gleichen Grundsätzen folgen sollte, angedacht aber nie verwirklicht.

Dieser N-GT war eigentlich seit langer Zeit wieder der erste Porsche, der zum Beispiel bei den 24h Nürburgring und den 24h in Spa-Francorchamps ins Reglement passte. Zwar hatte das Werk in Stuttgart die Entwicklung mit vorangetrieben, führte aber selbst keine Einsätze durch. Die Autos wurden von Strähle, Max Moritz und Löhr & Becker eingesetzt und von uns so gut es ging unterstützt, weiter reichenden Kundensport und offizielle Werkseinsätze gab es zu dieser Zeit bei Porsche keine. - Roland Kussmaul

Die Idee den Carrera RS 3.8 als Homologationsmodell und den Carrera RSR 3.8 als seriennahes Rennfahrzeug aufzubauen, wurde in einer für Porsche grundsätzlich schwierigen Phase geboren. Finanzielle Schwierigkeiten des Mutterhauses durch eine kriselnde Weltwirtschaft, Managmentfehler und viel zu hohe Produktionskosten, schufen denkbar schlechte Rahmenbedingungen für kostenintensive Aktivitäten im Rennsport. Als Reglementänderungen in der Gruppe C (von der Verbrauchsformel weg, Bernie Ecclestone stellt das Reglement auf kostenintensive 3.5-Liter- um), beschloss man auch das Ende des werksseitigen Gruppe-C-Engagements. So war die Kundensportabteilung in Weissach unter der Leitung von Jürgen Barth mit einem Schlag ohne kostendeckende Aufgabe.

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Die Initiative ging wieder von unserer Seite aus. Vom Marketing wurden wir damals unterstützt, die sagten natürlich auch, dass wir wieder etwas für den Motorsport brauchen. Das hat uns geholfen, um mit dem 964 RS 3.8 in die Kleinserie zu gehen und die Entwicklung des Rennwagens Carrera RSR 3.8 anzustoßen. Da war es dann eigentlich fast schon obligatorisch, dem Vorstand ein Konzept vorzulegen – daraus resultierten dann Einsätze im ADAC-GT-Cup ab 1993 und in der BPR-Serie ab 1994. - Jürgen Barth

Maßgeblich brachte Roland Kussmaul als Projektleiter die Entwicklung des 964 Carrera RS 3.8 und 964 Carrera RSR 3.8 voran. Häufig war er mit neuen Bauteilen und Karosserieänderungen im Windkanal und spulte unzählige Kilometer mit den beiden Versuchsfahrzeugen auf der Teststrecke in Weissach und auf öffentlichen Straßen ab.

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Vorserie

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In Weissach bediente sich Roland Kussmaul eines Vorserien-Testwagens des Typs Porsche 964 aus dem Modelljahr 1990 (L-Serie), der noch in der Entwicklungsabteilung vorhanden war, und baute ihn zum Vorserien-RSR 3.8 auf - eine erste praktische Machbarkeits-Studie und vor allem der Test- und Werbewagen für die kommenden Jahre.

Nach den Werksferien 1992 bestellte die Weissacher Kundensportabteilung eine Rohkarosse bei der Porsche AG zum Aufbau eines Demonstrationsobjekts der parallel als Homologationsmodell zu fertigenden Straßenversion.

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Dieses Auto wurde ab Werk mit der Option M491, also im Turbo-Look mit den Karosserieteilen des Turbos, geordert. Porsche bot diese Option auch für den Carrera 4 - als Jubiläumsmodell zum 30. Geburtstag des Porsche 911 - ab Modelljahr 1993 an. Tatsächlich ist dieses Vorserienauto aus historischer Sicht der einzige real existierende 964 Carrera 2 (964330) im Werks Turbo-Look, und ganz sicher ist es das weltweit bekannteste Auto des Typs 911 Carrera RS 3.8, obwohl es streng genommen gar kein solcher ist. Bilder von ihm lagen 1993 der Werks-Pressemitteilung bei, sind unzählige Male in Fachzeitschriften zu sehen gewesen und heute im Internet omnipräsent.

Wer jetzt annimmt, Porsche würde diese beiden Fahrzeuge im Werksmuseum bewahren irrt. Der rote Vorserien-RSR 3.8 befindet sich derzeit, nachdem er von Porsche ohne Motor nach einem Unfall auf der Nordschleife verkauft wurde, in restauriertem Zustand in Schweden. (Das private Porschemuseum Gmünd zeigte ein Plagiat). Der speedgelbe Vorserien-RS 3.8 war zuletzt in privater Sammlerhand in Deutschland. (stand zuletzt zum Verkauf in den Niederlanden)

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Fertigung der Kleinserie

Die Porsche Pressemitteilung und in Folge alle Autozeitschriften und Veröffentlichungen sprechen im Zusammenhang mit dem Carrera RS 3.8 und dem Rennwagen Carrera RSR 3.8 von einer handgefertigten Kleinserie. Tatsächlich sind aber beide Fahrzeugvarianten auf dem normalen Band parallel zur Serienproduktion im Porschewerk gefertigt worden.

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Nach dem Rohbau wurden die Fahrzeuge zur Fa. Matter verbracht, die notwendigen Schweißarbeiten des Sicherheitskäfigs erledigt, um dann wieder die Serienfertigung bis zum Fertigungspunkt 6A zu durchlaufen. Dort ausgesteuert verbrachte man die weitgehend fertigen Autos nach Weissach, wo Restarbeiten, Korrekturen und der Einbau von Rennsportteilen in Handarbeit erfolgten.

Das erste gefertigte Auto ist WP0ZZZ96ZPS497062, der blutorange Carrera RS 3.8, der mit dem Kennzeichen BB - PW 274 auf die Presseabteilung des Porschewerks erstzugelassen wurde. Bis heute ist dieses Auto nie wieder auf einen anderen Halter zugelassen worden.


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Optik und Technik

Optisch entsprechen die Serien-RS 3.8 dem damaligen Spitzenmodell 964 Turbo 3.6. Die Frontverkleidung aus PU erhielt im unteren Bereich zwei kleine Spoiler, die für Abtrieb sorgen sollten, sowie zwei Lufteinlässe anstatt der Nebellampen im Stossfänger damit mehr Frischluft zu den beiden Ölkühlern geführt wurde. - Ein zweiter Ölkühler fand Platz anstelle des Klimakondensators auf der linken Seite. - In den neu gestalteten Motordeckel aus Faser-Verbund-Kunststoff war ein großer neu gestalteter und homologierter Heckflügel mit sechsfach verstellbaren Leitwerk integriert. Fronthaube und die Türen bestanden aus Aluminium, für Heck- und Seitenscheiben wurde Dünnglas verwendet. Die Innenausstattung entsprach weitgehend der des Carrera RS 3.6. Es wurden quasi sämtliche Komfortdetails sowie die Rücksitzanlage entfernt und die Schalensitze von Recaro verbaut. Der für den Porsche 964 stets optionale 92 Tank gehörte beim RS 3.8 zur Serienausstattung. (- bis auf alle für Japan konfigurierten RS 3.8, die aus Typisierungsgründen mit dem 77 Liter Tank versehen wurden.) Trotzdem sank das Gewicht um immerhin 140 Kilo im Vergleich zu einem herkömmlichen Carrera 2 auf 1210 Kilogramm.

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Die RS 3.8 wurden mit Speedline-Felgen ausgeliefert, vorn 9J x 18 ET 67 Nr. 965 362 138 00; Gewicht 11 kg (Reifen 235/40 ZR18), hinten 11J x 18 ET 5 Nr. 965 362 142 00 (Reifen 285/35 ZR 18) jeweils mit einem Abrollumfang von 645mm. Die RSR bekamen noch einen ein wenig breiteren Rädersatz von Speedline: vorn 9,5J x 18 ET 57 Nr. 965 632 138 01 Gewicht 11,2 kg (Reifen 245/40 ZR18 von Pirelli oder Dunlop), hinten 11J x 18 ET 05 Nr. 965 362 142 01 Gewicht 12,2 kg (Reifen 305/35 ZR 18 von Pirelli oder Dunlop).

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Der Motor wurde vom Prototypen des neuen 993 Triebwerks abgeleitet und erhielt eine Hubraumsteigerung auf 3,8 Liter. Dabei wurde nicht nur die Bohrung von 100 auf 102 Millimeter vergrößert (bei gleichbleibendem Hub von 76,4 Millimeter), es blieb kein Teil ungeprüft und unangetastet. Die Kolben waren grösser, aber trotzdem leichter. Die Kipphebel wurde völlig neu gestaltet und in Feinguss-Technik hergestellt, was zunächst einige Problem verursachte. Die Motor-Steuerung übernahm eine Bosch-Motronic Typ 2.10, die auch eine adaptive Klopfregelung und eine optimierte Kennfeldkennung ermöglichte und für die Luftmassenmessung ausgelegt war. Auch hier kam bereits spätere Serientechnik des Porsche 993 zum Einsatz.

Die im Gasstrom angebrachte Luftfilteranlage und die in den Kanälen erweiterte Ansauganlage mit sechs Einzeldrosselklappen schafften zusammen mit der sequentiellen Benzineinspritzung eine ausgezeichnete Zylinderfüllung in allen Drehzahl- und Lastbereichen. Die Abgasanlage wurde völlig neu konstruiert und nahm das Design der Abgasführung des Porsche 993 vorweg.

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Das manuelle 5-Gang-Getriebe des RS 3.8 entsprach dem Carrera RS 3.6, verfügte über den gleichen Getrieberädersatz, ein gewichtsoptimiertes Schwungrad und eine verstärkte Kupplung. Das G50.10 Getriebe verfügte als Besonderheit über eine 40/40 % Differential-Sperre. (Angabe laut Unterlagen - Die Getriebenummern weisen eine verbaute 20-100 % Differential-Sperre aus). Das RSR Getriebe wurde mit Getriebradpaarungen entsprechend der optionalen Le-Mans oder ADAC-Cup Versionen in Weissach bestückt oder auf Kundenwunsch modifiziert ausgeliefert. Hier war die 40 % Sperre obligatorisch.

All diese Maßnahmen erbrachten dann 300 PS bei 6500/min und ein maximales Drehmoment von 360 Nm bei 5250/min; der rote Bereich lag bei 7100/min. So aufgerüstet (und dank geringerem Gewicht) kam der Porsche 911 Carrera RS 3.8 auf 4,9 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h sowie eine Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h. Die Rennversion kam auf bis zu 350 PS bei 6900/min durch nochmals veränderten Hub und eine weiter modifizierte Ansauganlage und Motorsteuerung.

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Stückzahlen

Grundlage aller vom Turbo-Look Register angegebenen Stückzahlen ist die digitale Datenbank des Turbo-Look Registers, die jeden gebauten Porsche 911 ab dem Modelljahr 1980 in seiner individuellen Spezifikation listet. Jeder dieser Stückzahlangaben steht eine vergebene Fahrgestellnummer und somit ein, zumindest ehemals, existierendes Fahrzeug gegenüber. Durchgängig beziehen sich die Angaben auf den Fahrgestellnummernbereich eines jeden Modelljahres. - Norbert Franz

Ein kleiner Bogen zu der Stückzahlproblematik rund um den Porsche 911 im Allgemeinen mag erlaubt sein, denn am Beispiel der Porsche 964 RS 3.8 ist die ganze Misere um die Zahlen gut zu veranschaulichen.

Von Beginn der Produktion an erreichten das Werk wohl täglich Anfragen nach Stückzahlen, zu Farbverteilungen und exklusiven Details, egal um welche Baureihe es sich handelte. Alle Antworten darauf wurden archiviert und dienen bis heute bei ähnlichen, ständig wiederkehrenden Anfragen als Referenz. So kamen die Stückzahlangaben von Werksseite zustande, die oft nur teilweise richtig recherchiert waren. Aus einer oftmals noch laufenden Produktion ausgeklammerte Antworten passen meist einfach nicht eins zu eins zu einer Jahre später gestellten Anfrage. Wenn man berücksichtigt, dass solche Unterlagen Teil der Grundlage der bekannten Standardwerke zum Thema Stückzahlen darstellen, wird vieles klarer. Oft mussten diese ungenauen Quellen ausreichen, da weiterreichendes Material nicht mehr aufzufinden war und ist. Tatsächlich fand ein Abgleich mit den digitalen Datenbanken der Porsche AG nie statt und ist aus technischer Sicht auch niemals möglich gewesen.

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Stückzahlen 964 Carrera RS 3.8 und 964 Carrera RSR 3.8

In den verschiedenen Standardwerken, die sich mit Stückzahlen auseinandersetzen, und bei den Angaben vom Werk, schwanken die Angaben von zum Beispiel: 90 Stück bei Marc Bongers als Gesamtstückzahl, auf dessen Angaben sich wohl auch Wikipedia bezieht. Bei Adrian Streather sind es gar 129 RS und 130 RSR, hier wird der Bereich der reservierten Fahrgestellnummern herangezogen. Paul Feré nennt eine Gesamtstückzahl von 100 Exemplaren, auf die auch Barth/Büsing hinweisen, diese Angabe aber noch in 55 RS und 45 RSR aufsplitten. Vom Porsche-Werk gibt es widersprüchliche Angaben. Zumindest bei den RSR hat man sich aber auch auf 45 Stück festgelegt. Dies ist wohl dadurch begründet, dass vier reguläre RSR 3.8, sowie eine in Verkehr gebrachte Rohkarosse, in der offiziellen Datenbank der Porsche AG offensichtlich “verlorengegangen” sind. Eine prekäre Tatsache, wenn man den Wert dieser, in Privatsammlungen befindlichen, Autos betrachtet.

Tatsächlich sind es exakt 107 Fahrzeuge der Baureihe inclusive der Vorserienfahrzeuge:

Statistik

964 RS 3.8

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Farbverteilung 964 RS 3.8
Lackfarbe Stückzahl
100 13 Fahrzeuge incl. des Vorserien-Fahrzeugs
100 10 Fahrzeuge
100 8 Fahrzeuge
100 5 Fahrzeuge
100 5 Fahrzeuge
100 2 Fahrzeuge
100 2 Fahrzeuge
100 2 Fahrzeuge
100 1 Fahrzeug
100 1 Fahrzeug
100 1 Fahrzeug
100 1 Fahrzeug
100 1 Fahrzeug
100 1 Fahrzeug
100 1 Fahrzeug
100 1 Fahrzeug
100 1 Fahrzeug

13


964 RSR 3.8

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Farbverteilung 964 RSR 3.8
Lackfarbe Stückzahl
100 28 Fahrzeuge incl. Rohkarosserie mit FIN
100 13 Fahrzeuge
100 3 Fahrzeuge
100 3 Fahrzeuge incl. des Vorserienfahrzeugs
100 2 Fahrzeuge
100 1 Fahrzeug
100 1 Fahrzeug

13


Unveröffentlichte Dokumente:

Reihenfolge der produzierten 964 Carrera RS 3.8:

12

Bestellung einer Sonderfarbe:

13

Position des Schriftzuges (RSR):

14

Werkseinstellungen Fahrwerk (RSR):

14

Wird kontinuierlich überarbeitet ...

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